LeFloid, Sarazar, DagiBee oder Phil Laude – sie alle haben es geschafft.
Sie alle sind Selfmade-Stars aus dem Kinderzimmer. Zu verdanken haben sie das dem Internet. Die Medienbranche ist einem stetigen Wandel unterworfen. Während sich vor rund sechzig Jahren die Familie noch im Wohnzimmer versammelte, um gemeinsam Radio zu hören, erzittert mittlerweile sogar der Fernseher bei dem Gedanken an die Macht des Internets. Bewegtbilder haben in vielen Bereichen unlängst das geschriebene Wort abgelöst. Die klassischen Medien sind nicht mehr „schnell genug“, um mit den sozialen Netzwerken mithalten zu können. Nirgendwo verbreiten und veralten Neuigkeiten so schnell wie auf Twitter. Auf keiner Plattform findet ein so direkter und kurzweiliger Austausch wie auf Facebook statt und kein Medium begeistert mit seiner Kurzlebigkeit mehr als Snapchat. Eine Plattform jedoch schlägt und verknüpft sie alle gleichermaßen: YouTube.
Charaktere übertrumpfen Kanäle
Bei der Frage nach der Lieblingssendung oder dem Lieblingsformat, ist nur noch selten die Antwort „ProSieben“ oder „ZDF“ zu hören, vielmehr sind es konkrete Sendungen wie „NEO Magazin Royale“ oder Persönlichkeiten wie „Jan Böhmermann“. Im Internet hingegen ist die Antwort eindeutig: DagiBee, Liont, Melina Sophie, DieAussenseiter, Gronkh oder BibisBeautyPalace sind die Charaktere und Formate, die eine komplett neue Generation prägen und formen. Der Fokus bei den Konsumenten hat sich in den letzten Jahren vom Inhaltsaspekt zur Charakterliebe verändert. Es geht nicht länger um die Inhalte eines Videos, sondern um den Künstler, der sie performt. Laut einer Studie des ZDF wurden im Juli 2015 rund 400 Stunden Videomaterial pro Minute auf der Plattform hochgeladen. Im Mai 2008 waren es gerade einmal 13 Stunden die Minute. Dieser Input von neuen Möglichkeiten und Gesichtern ist es, der einen Keil in eine bis dato standfeste Branche schlug.
Das Internet kennt keine Barrieren
Doch der Trend führte nicht nur zu einem Wandel bei den Konsumenten, sondern auch bei den Künstlern selbst. YouTube erschuf eine ganz neue Generation Medienmacher, die früh genug erkannten, das sich auf der Videoplattform Geld verdienen lässt und die mit ihren Produktionen mittlerweile sogar hin und wieder professionelle Produzenten in den Schatten stellen. Mit Produktplatzierungen und Merchandise fing es an. Mittlerweile haben jedoch auch große Konzern das Potenzial der Internetberühmtheiten für sich entdeckt.
Der Reiz hinter diesen Summen ist offensichtlich: Das Internet kennt keine Barrieren. Einen 24-Stunden-Sendeplan oder ein begrenzten Repertoire an Auswahlmöglichkeiten gibt es nicht. Der Konsument steht dadurch in einer völlig neuen Position: Das Publikum ist mittlerweile der, der über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Internetsendungen wie „World Wide Wohnzimmer“ wirken authentischer und vertrauenserweckender als Talk-Runden mit Marcus Lanz. Der Humor eines JulienBam ist frischer und schneller als der eines Charlie Sheen in „Two and a half men“. Diese Authentizität der Künstler ist es auch, die der Konsument sucht. „Wir sind alle gleich“ ist der Slogan, der die 2010er Jahre ausmacht. Social Media heißt also unsere neue Fernbedienung. Reichweite entscheidet darüber, welchen Kanal wir anwählen und die Sympathie entscheidet, ob wir ihn eingeschaltet lassen.
Reichweite geht über Erfahrung
YouTube feierte in diesem Jahr seinen zwölften Geburtstag. Seit der Gründung der Videoplattform hat sich vieles grundlegend geändert. Die Fünf-Sterne-Bewertungen mussten echt „Stars“ weichen. Das alte Kanaldesign wurde vom kreativen Spielplatz zur einheitlichen, TV-orientierten Oberfläche. Immer mehr YouTuber wechseln von dem kleinen Bildschirm auf die große Leinwand, auf die Bühnen oder auch in die Spiele- und Filmstudios dieser Welt. Neustes Beispiel dafür ist Sarazar, aka Valentin Matthias Rahmel, der in dem Kinofilm „OFFLINE“ sich selbst verkörpert.
Damit ist Sarazar nicht der erste YouTuber, der den Sprung geschafft hat. Auch der ehemalige Y-Titty Star Phil Laude spielte schon in diversen Kinofilm-Produktionen, wie zum Beispiel „Kartoffelsalat“ oder „Bibi und Tina“, mit. Auch LeFloid leihte seine, durch sein YouTube-Format berühmt gewordene, Stimme schon Charakteren in Animationsfilmen wie PETS. Gronkh sprach mittlerweile schon mehrere Charaktere in Videospielen und auch YouTuber-Großmutter Coldmirror durfte in der Pixar-Produktion „Cars 2“ einem Flugzeug ihr schönstes „Ooooh!“ schenken. Eine Veränderung in der Film- und TV-Branche, die nicht immer auf Begeisterung stößt. Der größte Kritikpunkt liegt dabei in der Erfahrung. Kritisiert wird, dass YouTuber nicht genug Erfahrung und nicht die richtige Ausbildung hätten, um Synchronrollen oder Schauspieljobs abgreifen zu dürfen. Dadurch würde der Markt für professionell ausgebildete Künstler zerstört werden.
Internet-Sternchen auf Abwegen
Tatsächlich jedoch ist es oft die Reichweite, die Konzerne davon überzeugt, die Internetsternchen mit in den Abspann eines Filmes aufzunehmen. Viele Kinder und Jugendliche möchten ihre Idole sehen, egal wie groß ihr Auftritt gewesen sein mag. Dies war vermutlich einer der Gründe, wieso Shirin David in die diesjährige DSDS Jury mit aufgenommen wurde oder wieso ein Film wie Kartoffelsalat so grandiose Besucherzahlen trotz so furchtbarer Bewertungen erzielte.
Dabei ist das, was der Medienlandschaft bislang fehlte, nicht die Konkurrenz zwischen alten und neuen Medien, sondern die Kooperation der Produzenten aus unterschiedlichen Welten. Wie auch in dem neusten Kinofilm „OFFLINE“ wird nicht versucht, das jeweils andere Medium zu übertrumpfen, sondern eine Brücke zwischen alt und neu zu schlagen. Heraus kam dabei eine grandiose Mischung aus Nostalgie, noch nie zuvor gesehenem, in Form eines eigens für den Film entwickelten Spieles, und Vertrauen in die Darsteller und ihrer Arbeit.
YouTube hatte seit seiner Gründung 2005 mit einigen Vorurteilen zu kämpfen und hat Tief- und Höhepunkte erlebt. Am Ende seiner Reise steht die Plattform jedoch noch lange nicht.
“Früher war alles besser”
Die Phrase „Früher war alles besser“ ist also genauso wenig repräsentativ für das Medium Internet, wie es sie damals beim Wechsel vom Radio zum TV oder vom Wandel von der Zeitung zum Radio war. Transparenz ist der Wert, der groß geschrieben wird. Ein unscharfes Bild, die nicht stets perfekte Beleuchtung oder der unklare Ton eines YouTube Videos können diese Transparenz besser schaffen, als hochglanz polierte Fernsehstudios es können.
- YouTube – Der Weg vom Gaming-Keller auf die große Bühne - Mittwoch, 15. März 2017